Lubna lächelt in die Kamera. Die Mutter blickt ernster.

Lubna Al Atawneh, 12 Jahre

Gaza: 2013

Lubna Al Atawnehs Barriere ist ockerfarben oder eher ein schmutziges Gelb-Grau: drei Meter breit und 15 Meter lang. Für das zwölfjährige Mädchen sind die 15 Meter, die zur asphaltierten Straße führen, unüberwindbar. Das nahe Meer weht Sand heran. Die Gasse, die zu ihrem Haus führt, sieht selbst aus wie eine kleine Sandbank. Für Lubna, die an einer halbseitigen Lähmung leidet, ist das kein Grund zur Freude. Es bedeutet schlicht kein Weiterkommen für sie. Mit dem Rollstuhl würde sie schnell stecken bleiben.

So ist ihre Welt meist auf die beiden gemieteten Zimmer ihrer fünfköpfigen Familie zusammengeschmolzen. Sie zur Schule zu schicken, kann sich die Familie nicht mehr leisten. Die Zwölfjährige erzählt von den türkischen Seifenopern, die Tag für Tag über den Bildschirm des betagten Fernsehers flimmern. Lubna hat sich einen Traum bewahrt. Es gibt Schneiderkurse für Menschen mit Behinderung: „Das würde mir Spaß machen. Ich könnte etwas für meine Mutter nähen und Freundinnen finden“, erklärt das Kind mit ernsthaftem Blick.

„Seit einem Monat kommt eine Physiotherapeutin von der Organisation Baitona (Handicap International-Partner vor Ort) zu uns. Sie macht Gymnastik mit Lubna und bringt mir bei, wie ich mit meiner Tochter üben kann. Nur ein Monat, und mittlerweile kann meine Lubna alleine auf die Toilette. Ist das nicht einfach unglaublich?“, sagt Lubnas Mutter Kefah Al Atawneh und blickt stolz zur Tochter. Die lächelt. Ganz kurz haben die beiden sie vergessen, die 15 Meter lange Sandgasse vor dem Haus.

„Ein Schneiderkurs, das würde mir Spaß machen. Ich könnte etwas für meine Mutter nähen und Freundinnen finden.“

Hintergrund

(Stand 2013) Die Flüchtlingslager des Gaza Streifen sind traurige Orte. Seit über 60 Jahren beherbergen sie hunderttausende aus dem heutigen Israel vertriebene beziehungsweise geflohene Familien, die hier eine Zuflucht aber keine Heimat gefunden haben. Zivilisten leiden unter den immer wieder aufflammenden Kämpfen zwischen Milizen und den israelischen Sicherheitskräften. Mehr als zwei Drittel der 1,7 Millionen Bewohner des Gaza-Streifens sind Flüchtlinge, rund 50 Prozent Arbeitslosigkeit unter allen Bewohnern macht sie von den Hilfslieferungen der Vereinten Nationen abhängig. Schwere Voraussetzungen für Menschen mit Behinderung, die gerade beginnen, ihre Rechte einzufordern.

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So unterstützt Handicap International

Lubna ist halbseitig gelähmt. Sie wird von Handicap International durch eine physiotherapeutische Behandlung unterstützt. So konnte ihre Bewegungsfähigkeit verbessert werden. Seit der Gründung von Handicap International im Jahr 1982 sind Reha-Leistungen für Menschen mit Behinderung eine zentrale Aufgabe. Fachkräfte werden vor Ort ausgebildet und nutzen lokal verfügbare Materialien, Kompetenzen und Infrastrukturen. Hilfsmittel wie zum Beispiel Prothesen, Orthesen, Rollstühle oder Hörgeräte sowie psychosoziale und physiotherapeutische Unterstützung helfen den Betroffenen wieder selbstständig ins Leben zurückzufinden.

Oft werden Menschen in Gaza durch explosive Kriegsreste verletzt. Explosivwaffen (Granaten, Raketen, improvisierte Sprengsätze und Streubomben usw.) töten und verstümmeln. Über 90 Prozent der Opfer stammen aus der Zivilbevölkerung – und das, obwohl der Einsatz von Explosivwaffen in bevölkerten Gebieten (EWIPA) durch das Völkerrecht verboten ist. Handicap International setzt sich dafür ein, dass das Völkerrecht und der besondere Schutz, unter dem die Zivilbevölkerung steht, mehr geachtet wird und die Betroffenen der explosiven Kriegsreste unterstützt werden.
Zusammen mit INEW beteiligten wir uns aktiv an dem diplomatischen Prozess zur Ausarbeitung einer politischen Erklärung, die dem besseren Schutz der Zivilbevölkerung vor dem Einsatz von EWIPA dienen soll. Die politische Erklärung wurde bei einer offiziellen Unterzeichnungskonferenz in Dublin am 18. November 2022 bereits von vielen Staaten angenommen und beinhaltet wesentliche Forderungen von HI und INEW: So werden die humanitären Auswirkungen von Explosivwaffen erstmals anerkannt und klare Verpflichtungen für die Staaten zur Opferhilfe, zur Räumung von Kampfmittelrückständen und zur Risikoaufklärung genannt.

  • Lesen Sie hier mehr über die fatalen Wirkungen von Explosivwaffen.