Huyn Thi Le sitzt hinter ihrem Sohn, der lächelt.

Huyn Thi Le, 42 Jahre

Vietnam: 2010

Es gibt Augenblicke, da kann Huyn Thi Le (42 Jahre) ihre Tränen nicht mehr halten. Wenn nur noch Trauer da ist. Sie nicht einmal mehr die Kraft aufbringen kann, wütend zu sein. Darauf, dass die US-Streitkräfte während des Vietnam-Kriegs ihr Dorf An Dang, die Felder und Wälder im Umkreis mit dioxonhaltigen Herbiziden verseucht haben. Immer wieder sprühten die Bomber das Gift. Huyn Thi Le war da ein kleines Kind.

Die Folgen kamen, als sie als junge Frau ihrem Sohn das Leben schenkte. Der 18-Jährige hat als mutmaßliches Agent-Orange-Opfer schwerste körperliche und geistige Behinderungen. Seine Beine und Arme sind deformiert, der Kopf zu groß für seinen Körper.

In der dämmrigen Bauernkate sitzt Nguyen Hoang Hoai Tan nah am Fenster. Er lächelt seine Mutter an. Ein feines, stilles Lächeln. Huyn Thi Le wischt sich über das Gesicht.

„Er ist so ein guter Junge“, sagt sie. Sie würde ihn gerne fördern. Aber es gibt kein Zentrum für Menschen mit Behinderung im Umkreis. Keine Physiotherapeuten, die ihr Massage-Handgriffe zeigen. Vor der Hütte beginnt eine Welt voller Barrieren, an der Nguyen Hoang Hoai Tan kaum teilhaben kann. Wege aus festgetretenem Erdreich verwandeln in der Regenzeit jede Rollstuhlfahrt zum Kraftakt. Die Reisfelder am Dorfrand, für den jungen Mann liegen sie schon in unerreichbarer Ferne.

„Am liebsten hört mein Sohn Radio. Es macht ihn fröhlich. Leider geht das Radio seit Wochen nicht mehr. Die Stille ist grausam für meinen Sohn. Wir haben angefangen zu sparen. In zwei, drei Monaten haben wird das Geld zusammen. Aber ich würde so gerne mehr für meinen Jungen tun. Es schmerzt furchtbar, dass ich es nicht kann “, sagt die Mutter.

„Ich würde so gerne mehr für meinen Jungen tun. Es schmerzt furchtbar, dass ich es nicht kann.“ - Huyn Thi Le, Mutter von Nguyen Hoang Hoai Tan, 18 Jahre

Hintergrund

(Stand 2014) Mit dioxinhaltigen Herbiziden wollten die US-amerikanischen Streitkräfte während des Vietnam-Krieges den Urwald entlauben und so den nordvietnamesischen Verbänden die Rückzugsmöglichkeiten nehmen. Zurück bleibt Jahrzehnte nach Kriegsende ein Heer von schwerstbehinderten Agent Orange-Opfern. Drei Millionen Menschen, nimmt das Vietnamesische Rote Kreuz an, sind Agent Orange-Opfer. Die humanitäre Organisation schätzt, dass sich darunter 150.000 Kinder mit genetischen Defekten befinden. Mittlerweile ist die dritte Generation betroffen. Meist sind es Familien, die am Aufschwung des Landes wenig teilhaben: arme Bauern in entlegenen Dörfern, den ehemaligen Kampfgebieten. Sie sorgen sich um die Zukunft ihrer Kinder. So wie Huyn Thi Le, die der Autor 2010 besuchte. Eine Entschuldigung, gar eine Entschädigung, hat sie von Seiten der USA nie bekommen.

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So unterstützt Handicap International

Der 18-Jährige Nguyen Hoang Hoai Tan hat als mutmaßliches Agent-Orange-Opfer schwerste körperliche und geistige Behinderungen. Seine Beine und Arme sind deformiert, der Kopf zu groß für seinen Körper. Seit der Gründung von Handicap International im Jahr 1982 sind Reha-Leistungen für Menschen mit Behinderung eine zentrale Aufgabe. Fachkräfte werden vor Ort ausgebildet und nutzen lokal verfügbare Materialien, Kompetenzen und Infrastrukturen. Hilfsmittel wie zum Beispiel Prothesen, Orthesen, Rollstühle oder Hörgeräte sowie psychosoziale Unterstützung helfen den Betroffenen wieder selbstständig ins Leben zurückzufinden.